Interviews Alumni
Urban Sketching, Live Zeichnen und Schildkröten
illuskills alumni talk #1 mit Sandra Biskup
Sandra Biskup ist seit 2012 selbständige Illustratorin und illuskills Power-Alumni. Sie erzählt über ihren Weg in die Selbständigkeit, die Relevanz von Pausen und ihre Erfahrungen bei illuskills.
Background
Kathi: Gut, legen wir direkt los. Erzähl mir etwas über deinen kreativen Hintergrund.
Sandra: Ich habe das Zeichnen eigentlich von klein auf durch meine Mutter mitbekommen. Die hat das immer sehr gern gemacht. Speziell Seidenmalerei und Aquarellmalerei. Ich zeichne, seit ich denken kann.
Für mich war für die Berufswahl früh Thema. Ich habe mich letztendlich für das Kolleg für Grafik,- und Kommunikationsdesign an HTL Linz entschieden. Als Grafikerin, da wäre man international unterwegs und hat die Möglichkeit eigene Projekte umzusetzen. Das fand ich toll. Vor allem, weil es nicht in die Richtung freier Kunst ging. Sozusagen Gebrauchsgrafik. Das hat mir zugesagt. Ich wollte etwas mit Sinn und Zweck machen und dennoch meine Kunst einbringen.
Ich war später ein Jahr im Ausland, bis ich mich entschlossen habe, den Job als Grafikerin zu forcieren.
Ist dein Faible für Meerestiere durch den Auslandsaufenthalt entstanden? Sie sind wiederkehrende Motive deiner Arbeiten. Was steckt dahinter?
Bei den Meerestieren, da ist eigentlich illuskills schuld. Im positiven Sinne. Ich habe damals die "Masterclass" gemacht. Ich bin damals viel getaucht und ich mochte die Ästhetik der Tiere. Sie haben es verdient, geschützt zu werden. Stichwort Klimawandel und Gefährdung des Lebensraumes. In dem Seminar haben wir Siebdruck gelernt und ich habe eine Schildkröte als Druckvorlage gezeichnet, die haben mich immer schon fasziniert. Während des Moduls habe ich damitT-Shirts bedruckt. Meine Freunde waren total begeistert, ich habe die Serie nach und nach erweitert.
Das ist jetzt nicht, dass ich durch das Projekt viel Geld verdiene, aber es ist mir ein Anliegen. Daher spende ich einen Teil der Einnahmen an die "Sea Shepherd Austria" eine Meeresschutz-Organisation. Das ist ein Herzensprojekt. Ich habe selbst viele T-Shirts mit den Tieren darauf- die ich gerne und stolz trage.
illuskills
Wie bist du zu illuskills gekommen, wenn du das noch weißt?
Ich habe einen Flyer per Post erhalten. Ich habe davor einen Kurs gemacht über Kinderbuchillustration und hatte bei einem Preiswettbewerb eingereicht. Daraus ist zwar nichts geworden, aber den Flyer vom illuskills Lehrgang "Medienillustrationen" habe ich bekommen. Ich war schon lange auf der Suche nach einer professionellen Ausbildung und auch Weiterbildung.
2008 habe ich mein erstes Seminar belegt. Das ist schon lang her. Danach habe ich die Seminare "Art Basics", "Digitale Illustration" und "Live Art History". Zum Schluss, die "Masterclass".
Welche Erfahrungen hast du in der Zeit bei uns gesammelt?
Ich habe damals als Grafikerin in einer Werbeagentur gearbeitet und hatte immer das Gefühl im Bauch, am liebsten nur zu zeichnen. Ich wollte Illustration beruflich machen und das hätte nur auf selbstständiger Basis geklappt.
Ich habe durch die Seminare mehr Sicherheit bekommen. Vor 10 Jahren habe ich es gewagt. Seither biete ich Grafikdesign und Illustration an. Das ergänzt sich gut.
Was mir sehr viel Spaß gemacht hat war, dass ich so viel ausprobieren konnte. Das waren sehr wertvolle Erfahrungen, die ich bei illuskills gesammelt habe. Die verschiedensten Techniken und Materialien kennenzulernen, fand ich super. So habe ich ein Gefühl dafür bekommen, wo meine Stärken liegen. Ich bin draufgekommen, dass ich lieber zeichne - ich bin keine Malerin, sondern eine Zeichnerin.
Ich habe im Laufe der Jahre viele Gleichgesinnte bei euch kennengelernt. In meinem Fall sind es wichtige Kolleg*innen geworden, bei denen ich auch heute noch Feedback einhole. Wir hatten damals eine Zeichengruppe, mit der ich oft unterwegs war. Da habe ich gemerkt, das schnelle Skizzieren liegt mir. So kam ich auch zu den Urban Sketchers.
Für mich ist dieses Netz wichtig, ich bin nicht die einsame Künstlerin, die allein ist und ihr eigenes Brot bäckt. So funktioniert das bei mir nicht.
Du hast die Urban Sketchers erwähnt, erzähl mir mehr davon.
Wir sind eine bunt gemischte Gruppe, von Hobby-Künstler*in bis Profi. Das lockert auf, es ist eine unbefangene Atmosphäre. Einfach nur zeichnen. So gehe ich auch leichter an Projekte heran, weg von der Getriebenheit.
Ich war vor drei Jahren in Vietnam und habe mit der lokalen Urban Sketchers Community Kontakt aufgenommen, dann wurde ein Treffen vereinbart. Zu sehen, wie sie gearbeitet haben, war faszinierend. Mit A3 Bögen und Füllfedern aus Bambus oder Pinseln. Das steht im Kontrast zu mir, mit meinem kleinem Notizblock.
Kam die Idee zum Stadtführer "Grätzlgekritzel" durch das Urban Sketching?
Richtig. Die Idee dazu hatte ich schon, wo ich das letzte illuskills Seminar gemacht habe, bei der Masterclass. Da mussten wir ein eigenes Projekt beginnend mit der Ideenfindung, über Recherche bis zum Projektmanagement ausführen. Es hat ein paar Jahre gedauert, aber das Buch ist fertig geworden und ist mittlerweile vergriffen.
Bei diesem Projekt haben mehrere Personen aus unserer Gruppe mitgewirkt. Das schönste Gefühl war, das fertig gedruckte Buch in den Händen zu halten.
Post-illuskills
Das Buchprojekt war nach illuskills, wie ging es sonst weiter?
Ich glaube, es ist einfach der Weg, den ich vorher nie bedacht hätte. Auf das Buch bin ich unheimlich stolz. Daraus hat sich das 'Live Zeichnen' als weiteres Angebot in meinem Portfolio ergeben. Ich habe schon für verschiedene Luxusmarken live gezeichnet. Bei Gucci und Louis Vuitton wurde ich zu Events eingeladen, um Portraits der Kund*innen zu zeichnen. Das hätte ich mir früher nie zugetraut. Aber durch das jahrelange Zeichnen vor Ort, ist es mir nicht mehr unangenehm gewesen. Menschen zeichnen ist ein heikles Thema. Ich könnte gar nicht den Zeitpunkt nennen, aber irgendwann habe ich mich sicher gefühlt. Ich war dort und die Leute waren begeistert. Das direkte Feedback war super. Außerdem gebe ich mittlerweile eigene Zeichen-Workshops.
Arbeit, Technik & Worklow
Mit welchen Techniken arbeitest du und wie sieht dein Workflow aus?
Da muss ich unterscheiden. Beim Urban Sketching arbeite ich klassisch mit Füllfeder, wasserfester Tinte und Aquarellfarben. Auch die Live-Zeichnungen mache ich analog. Wenn ich von Kunden Aufträge bekomme, dann arbeite ich auf dem iPad mit Procreate. Das unterstützt den Workflow, weil man einfach loslegen kann. Und die Korrekturen sind schnell gemacht. Da Illustrationen immer in digitaler Form gebraucht werden, spart man Zeit für Scannen und Bildbearbeitung.
Wie sieht ein Arbeitsprozess bei dir aus?
Ich gehe gern raus, etwa in Wien ins Kaffeehaus. Unterwegs mache Notizen oder Skizzen. Danach schaue ich es mir erst nach ein paar Tagen wieder an. Je nachdem, wie viel Zeit das Ganze erlaubt. Wenn es ein dringender Auftrag ist, kann man sich nicht ewig Zeit lassen. Mir macht Spaß, dass ich nicht immer am Schreibtisch hocke. Ich bin in einer Bürogemeinschaft. Wir sind zu zweit. Aber trotzdem nehme ich meine Sachen mit und gehe raus.
Woran arbeitest du aktuell?
Grafikdesign ist sicher noch der größte Teil meiner Arbeit. Ich habe einige reguläre Auftraggebende. Zusätzlich kommen immer wieder Kund*innen hinzu. Mal ist es grafisch, mal illustrativ, das ist ganz unterschiedlich.
Ich versuche gerade, den Stress aus dem Ganzen rauszunehmen. Ich halte es zum Beispiel schwer aus, nichts zu tun. Die Pausen sind genauso wichtig, wie das Tun selbst. In der Reflexion sieht man schnell, wie viel man tatsächlich gemacht hat. Es ist einiges weitergegangen in den letzten Jahren. Ich versuche hin und wieder einen Gang herunterzuschalten.
Was ist das Beste und was ist das Schlimmste an deiner Arbeit als Illustratorin?
Das Beste ist natürlich, dass ich meine Leidenschaft ausleben kann. Auch für andere Leute, nicht nur für mich selbst. Ich kann meinen Ideen nachgehen und erfülle trotzdem einen Zweck.
Das Negative ist die Getriebenheit. Es ist wahnsinnig schwierig, loszulassen.
Wie ist dein Umgang mit dem Spannungsfeld Brotjob vs. Leidenschaft?
Ich habe immer die Grafik als Brotjob angesehen, denn dort verdiene ich leichter Geld. Auf der anderen Seite ist Zeichnen meine Leidenschaft. Leider ist das Bewusstsein noch nicht ganz angekommen, welches Investment Illustration für ein Unternehmen sein kann.
Mittlerweile habe ich kein Problem mehr, abzusagen. Ich habe mich lange unter meinem Wert verkauft. Ich habe viel Zeit, Energie und Geld darin investiert. Ich möchte gut von meiner Arbeit leben können. Korrekte Bezahlung hat für mich auch die Kluft zwischen Brotjob und kreativem Schaffen verkleinert.
Tipps & Inspiration
Was inspiriert dich?
Reisen war immer schon meine Inspirationsquelle. Es gibt so viele Details, die man aufsaugen kann, seien es Ornamente oder Türbeschläge. Es muss auch nicht immer am anderen Ende der Welt sein. Ich glaube, im Burgenland sind auch Motive, die ich zu Hause nicht habe, die sehr inspirierend sind. Anstatt eines Handyfotos – einfach eine schnelle Zeichnung anfertigen. Das ist eine andere Form der Auseinandersetzung mit Dingen. Wenn ich Wartezeit überbrücke, nehme ich meinen Zeichenblock zur Hand.
Wir wissen alle: „Übung macht den Meister“. Aber wie hält man durch?
Ja, das ist etwas, was ich selbst nicht erklären kann. Ich hatte immer dieses Gefühl in mir, einfach weiterzumachen. Auch eine Menge schlechter Zeichnungen gehören dazu. Die braucht man auch, um den Fortschritt zu sehen. Jetzt bin ich an einem Punkt, von dem hätte ich vor ein paar Jahren nur geträumt. Dafür sind auch Skizzenbücher gut. Manchmal geht lange nichts weiter und plötzlich macht man riesige Schritte. Das kann man gar nicht planen, man muss einfach tun und dem Prozess vertrauen.
Ich habe immer versucht, einen positiven Zugang zu Themen und Motiven zu finden. Speziell zu denen, die ich nicht sonderlich gut konnte oder nicht mochte. Da muss man sich selbst austricksen.
Welchen Rat kannst du Beginner*innen geben, die in der Illustrationsbranche Fuß fassen möchten?
Alles probieren. Zeichnen, Malen, verschiedene Techniken und Materialien austesten. Den Themenbereichen nachgehen, je nachdem, was leichtfällt und was einen interessiert.
In meinem Fall ist es das Reisen und die Meerestiere. Wenn man mit Leidenschaft dahinter ist, gibt man nicht so leicht auf. Man braucht den richtigen Motivationsschub. Außerdem muss man viel mit Leuten sprechen. In Wien gibt es ein großes Netzwerk, mit Gruppen und Treffen aller Art. Hingehen und reden.
Es kann hilfreich sein, ein zweites Standbein zu haben. Das hilft anfangs, um den Stress herauszunehmen. Mir hat das sehr geholfen.
Wo bist du vertreten? Wo findet man dich und deine Illustrationen?
Auf meiner Website und auf www.urbansketching.at findet man alles rund um Urban Sketching. Aktiv bin ich zudem auf Instagram. Sowohl unter sandfarbe als auch mit den urbansketchersvienna.
Ich war die letzten Jahre am Wintermarkt der Akademie der bildenden Künste vertreten. Die T-Shirts sind im Gerngroß Concept Store auf der Mariahilfer Straße erhältlich. Vieles mehr gibt es auch in meinem Onlineshop.
Sandra, vielen Dank für das feine Gespräch.
Bitte, gerne. Hat mich sehr gefreut.